Leseprobe
Das letzte Fest des alten Europa: Anna Sacher und ihr Hotel

1876
 Carl von Hasenauer, der Höhenflug 
der Weltausstellung und der anschließende 
Katzenjammer

Die Weltausstellung ist ein großartiger Welttrost, 
eine herrliche, frohe Botschaft für alle jene, die an dem 
Fortschritte der Menschheit verzagen wollen. 
Und wahrlich, gerade in der jüngsten Zeit war solcher 
Trost und solches Evangelium vonnöthen.
Max Nordau: Pester Lloyd (7. 11. 1873)

Eduard Sacher spazierte über den ehemaligen Promenadeplatz Richtung Hofmuseen. Immer noch war der Ring dort, wo die großen öffentlichen Bauten entstanden, eine riesige Baustelle. Überall Schutt, provisorische Fußsteige, Baugerüste und Halden voller Marmorsteine und Holzdramen. Wenn es regnete, versank der ganze Platz im Morast, in der Nacht huschten fragwürdige Gestalten durch die Dunkelheit, und man musste sich vorsehen, um nicht plötzlich mit einem Knüppel zwischen den Beinen und seiner Habseligkeiten beraubt im Straßengraben zu landen. Meistens noch mitten in der Nacht kamen die Bauarbeiter aus den Vorstädten, um bei Fackelbeleuchtung mit der Arbeit zu beginnen, man hörte Serbokroatisch und Tschechisch, Ungarisch und Ukrainisch und was es sonst an Sprachen in dieser vielstimmigen Monarchie gab. Die Arbeiter waren schlecht gekleidet, manche in Lumpen. Kaum gegen die Januarkälte und schon gar nicht gegen Arbeitsunfälle geschützt, gaben sie einen erbärmlichen Anblick ab. Beim Bauplatz für die Hofmuseen standen noch immer die Gerüste, Holzstangen, die in schwindelerregende Höhen reichten und mit Querstangen zu einer da und dort schiefen Konstruktion zusammenmontiert waren. Vor einem Baugerüst stand der Architekt Carl Hasenauer, genauer gesagt Carl Freiherr von Hasenauer, war er doch für seine Verdienste um die Weltausstellung drei Jahre zuvor vom Kaiser in den Adelsstand erhoben worden. Eduard ­Sacher grüßte ihn herzlich, schließlich hatten die beiden eine Menge zusammen durchgestanden, damals bei der Weltausstellung. Das verbindet. [...]