Remo Largos unstillbarer Wissensdurst

Einen Film über Remo Largo zu drehen, geisterte schon lange in meinem Kopf herum. Denn durch meine jahrelange Zusammenarbeit mit Remo Largo als Co-Autorin der Bücher «Glückliche Scheidungskinder» und «Jugendjahre» habe ich mich intensiv mit seiner Gedankenwelt auseinandergesetzt.

Unser kleines Team begann im Frühjahr 2015 mit den Dreharbeiten in Uetliburg oberhalb des Zürichsees, bei Remo Largo zu Hause. Im Wohnzimmer standen immer schon Wasserflaschen und Kekse für uns bereit. Remo Largo weiss aus eigener Erfahrung, dass Filmen eine langwierige Angelegenheit ist, hat er doch selbst im Laufe seines Forscherlebens unzählige Stunden Filmmaterial gedreht und daraus Lehrfilme über die kindliche Entwicklung gemacht.

Einige dieser Filmsequenzen kommen in unserem Film vor, insbesondere die Aufnahmen von Sara und Laura Benz, die schon als Babys motorisch hochbegabt waren und für die Schweiz als die Eishockeyzwillinge an den Olympischen Spielen in Sotschi eine Medaille für die Nationalmannschaft gewannen.

Remo Largo war über unsere Akribie und unsere schier unstillbare Jagd nach den richtigen Bildern und Szenen manchmal erstaunt und auch etwas überfordert. Er hat irgendwann einmal sogar einen Deal vorgeschlagen, ich solle ihm für all die zum Schluss nicht verwendeten Bilder etwas zahlen – ein Scherz, mit dem er mich mässigen wollte.

Doch natürlich haben wir uns nicht besonnen, sondern den Vielbeschäftigten mit aller Höflichkeit weiter genervt, wollten mit ihm im Riet Reiher fotografieren und im Rietberg Museum die grossartige Kosmos-Ausstellung anschauen, er sollte in alten Büchern blättern und das grosse Archiv der Longitudinalstudien für uns durchforsten. Und immer ergaben sich dabei kleine Dokumentarfilmsternstunden, etwa als er einen Frosch im Schnabel eines Reihers fotografierte oder Adler am Himmel über seinem Haus entdeckte und eine Analogie von den Adlereltern zu den Menschen und ihren Erziehungsverhalten zog.

Als wir einmal seine Erklärungen über Charles Darwin zum vierten Mal aufnehmen wollten, wurde es ihm verständlicherweise dann doch zu bunt. Am nächsten Tag aber war alles wieder vergeben und das Filmen ging weiter.

Zum Beispiel einen Tag lang mit der kleinen 5-jährigen Mara im Kinderspital. Schon ein paar Minuten nachdem Remo das Kind und seine Mutter begrüsst hatte, wich ihm die Kleine nicht mehr von der Seite, sie gab ihm die Hand, spielte mit ihm, fasste Vertrauen.

Mich hat das keine Sekunde lang gewundert, denn so kenne ich Remo Largo seit Jahren. Er ist nicht nur ein präziser Beobachter, der Kinder und ihre Persönlichkeit in nur wenigen Augenblicken erfasst, sondern sein Interesse an ihnen, ja an allen Menschen und daran wie sie zu dem geworden sind, was sie sind, ist immer authentisch, aufmerksam, feinfühlig. Auf diese Weise hat er unzähligen Eltern geholfen.

Remo Largo ist jemand, der nicht einfach nur redet, sondern sich bemüht, dass sein Leben und seine Theorie deckungsgleich sind. Da steht jemand mit seinem ganzen Leben und Wirken für sein Denken ein. Selbst seine Sprache hat er in vielen Jahren auf Klarheit und Einfachheit getrimmt, immer bemüht, seine Botschaft Eltern und anderen Erwachsenen verständlich zu machen, auf dass es den Kindern, die er letztlich doch mehr als alle anderen liebt, besser ergehen möge.